Schwimmer sind ehrgeizig! Für bessere Zeiten und Wettkampferfolge werden die neusten Trainingsmethoden angewandt, Tipps für Ernährung, Saisonplanung und Krafttraining eingeholt und Sportwissenschaftler für Leistungsdiagnostiken und Rennanalysen zu Rate gezogen. Doch es gibt einen Bereich, den oft nur wenige im Blick haben: Die Luftqualität in Schwimmhallen. Denn was nützt es, wenn mit viel Aufwand Sauerstoffaufnahmefähigkeiten, Lungenvolumen, etc. bestimmt werden, und dann letztlich die Luft am Becken so schlecht ist, dass der Körper damit nur eingeschränkt arbeiten kann. Ein für manchen vielleicht überraschender Faktor kann dabei helfen, die Luftqualität in der Schwimmhalle signifikant zu steigern: Das Duschen vor dem Schwimmen.
„Bitte die Luftschächte frei machen!“ Diese Ansage des Sprechers hat wahrscheinlich jeder Schwimmer schon einmal beim Wettkampf gehört. Wenn die Luft in der Halle nicht mehr zirkulieren kann, wird es nicht nur ungemütlich warm – auch die Leistungen im Becken können unter schlechter Luftqualität leiden. Drei Effekte treten zu Tage, wenn keine Frischluft mehr in die Schwimmhalle strömen kann: Temperatur und Luftfeuchtigkeit steigen, der Sauerstoffanteil in der Luft hingegen sinkt. All das wirkt sich negativ auf unsere Leistungsfähigkeit aus.
Lufttemperaturen um die 30°C in Schwimmhallen sind keine Seltenheit und oft sogar gewollt. Die Empfehlung für Schwimmbadbetreiber lautet, dass die Lufttemperatur in der Halle etwa 2°C höher sein soll als die Wassertemperatur im Becken. Dadurch soll vermieden werden, dass Badegäste direkt zu frieren beginnen, wenn sie das Becken verlassen. Da die Wassertemperatur meist bei etwa 26°C liegt, beträgt die Lufttemperatur damit also oft 28°C oder mehr. Das mag für Familien und Hobbyschwimmer angenehm sein, doch es ist alles andere als optimal für einen langen Wettkampftag. Derartige Bedingungen sind vergleichbar mit warmen, schwülen Sommertagen. Auch Marathonläufer würden mit so einem Wetter ihre Probleme haben. Kein Wunder: Durch die höhere Lufttemperatur steigt unser Ruhepuls und wir schwitzen. Zum einen verbraucht unser Körper dadurch wertvolle Energie, die wir eigentlich im Schwimmbecken verbrennen wollen. Zum anderen wirkt sich auch der Flüssigkeitsverlust direkt negativ auf unsere Leistung aus, wie Studien gezeigt haben. Dementsprechend wichtig sind gut funktionierende Belüftungssysteme in Schwimmhallen. Doch ein Problem lösen diese meist nicht: Die Ansammlung schädlicher Stoffe in der Luft direkt über dem Becken.
Die schlechteste Luft ist dort, wo wir sie einatmen
Die Luft in einer Schwimmhalle ist nämlich meist genau dort am schlechtesten, wo wir sie im Training und beim Wettkampf intensiv einatmen: Wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche. Ursache dafür sind die Chemikalien, wie zum Beispiel Chlor-Präparate, die dem Becken zugesetzt werden, um es sauber und keimfrei zu halten. Ohne sie würden die Pools zwar zu wahren Viren- und Bakterienschleudern verkommen. Doch für uns Schwimmer bergen diese Stoffe nicht nur lästige Nebeneffekte wie trockene Haut und spröde Haare, sondern können auch unsere Lunge beeinflussen. Im Becken reagiert das Chlor mit ungewollten Fremdstoffen wie Urin, Schweiß, Ölen oder auch Duschmittelresten. Es bilden sich dabei sogenannte Chloramine, die unter anderem für Augenreizungen und den typischen Schwimmbadgeruch verantwortlich sind. Diese Chloramine werden teilweise vom Wasser frei gesetzt und an die Luft abgegeben. Das Problem dabei: Sie sind schwerer als Sauerstoff und sammeln sich daher vermehrt knapp über der Wasseroberfläche an. Studien haben gezeigt, dass sich Chloramine beim Einatmen negativ auf die Lungenfunktion auswirken können. Sie werden unter anderem damit in Verbindung gebracht, dass ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Schwimmern unter Asthma oder ähnlichen Lungenproblemen leidet. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass wir Woche für Woche stundenlang mit jedem Atemzug möglichst viel Sauerstoff in unsere Lungen pumpen wollen und damit aber ganz nebenbei noch etliche Schadstoffe aufnehmen.
Lüften und Duschen helfen beim Atmen
Doch wie kann man das Problem lösen? Die Belüftungssysteme in Schwimmhallen sind zwar darauf ausgelegt, die feuchtwarme Luft im Gebäude gegen Frischluft von draußen zu tauschen. Doch vor allem bei älteren Schwimmbädern wurden Chloramine in Nähe der Wasseroberfläche nicht bedacht, wodurch hier nur eine geringe Luftzirkulation stattfindet. In neueren Anlagen wird dies zwar zum Teil bereits berücksichtigt. Hier gibt es Belüftungssysteme, die direkt an der Oberfläche für eine Umwälzung der Luft sorgen und damit verhindern, dass sich Chloramin-Ansammlungen bilden. Auch das hat aber einen Haken: Damit wird der Schwimmerkopf permanent von einer Art Zugluft umströmt. Das empfinden viele Athleten ebenfalls als nicht angenehm. Wir Schwimmer sind halt ein sensibles Völkchen. Eine Möglichkeit, die Chloramin-Konzentration in der Luft gering zu halten, haben wir aber alle selbst in der Hand. Je weniger Belastungen von außen ins Becken getragen werden, desto weniger Chloramin wird auch freigesetzt. Sprich: Duschen wir vor dem Schwimmen Schweiß, Duschgel und so weiter gründlich ab, dann haben wir im Becken auch weniger mit den „atemraubenden“ Dämpfen zu kämpfen. Wenn euch der Coach vor der nächsten Trainingseinheit also mal wieder unter die Dusche schickt, dient das nicht nur der allgemeinen Hygiene sondern auch der besseren Luftqualität in der Halle. Und mit sauberer Luft lässt es sich ganz einfach effizienter trainieren.
Dieser Artikel erschien in der Sommerausgabe 2020 des swimsportMagazine. Alle noch verfügbaren Ausgaben der Zeitschrift für den Schwimmsport können im großen swimsportMagazine-Paket bestellt werden. Zum Sonderpreis erwarten euch hier mehr als 1500 Seiten geballtes Schwimmwissen --> Das swimsportMagazine-Paket