06. November 2025

Im Schwimmen sind wir maßgeblich von unseren körperlichen Fähigkeiten und Eigenschaften abhängig. Zu einem großen Teil werden diese durch unsere Gene bestimmt. Wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 50 % unserer körperlichen Leistungsfähigkeit durch vererbbare Faktoren bestimmt werden. So existiert zum Beispiel das berühmte „Sprinter-Gen“ ACTN3, bei dem eine spezielle Gen-Variante in den schnell zuckenden Muskelfasern mit einer besseren Sprintleistung einhergeht.

Während sich so mancher Schwimmer wünschen könnte, das Sprinter-Gen zu besitzen, müssen wir diese leider enttäuschen: Unsere Gene sind als solche nicht veränderbar und wir müssen mit den Anlagen arbeiten, die uns mit der Geburt in die Wiege gelegt wurden. Jedoch können wir durch das Schwimmen die Art und Weise, wie unsere Gene zum Einsatz kommen, aktiv beeinflussen. Um zu verstehen, wie das möglich ist, müssen wir uns zunächst vor Augen führen, wie unsere Gene überhaupt funktionieren. 

Unsere Gene sind in unserer DNA, also dem menschlichen Erbmaterial, enthalten. Diese ist wiederum aus einer langen Kette von vier sich wiederholenden Grundbausteinen, den Nukleotiden, aufgebaut. Die Gene sind nun diejenigen Abschnitte, die die Bauanleitung für unsere Proteine enthalten. In mehreren Schritten werden die Gene abgelesen, in die sogenannte "messenger RNA" (mRNA) umgeschrieben und anschließend in Proteine übersetzt. Diese Proteine erfüllen spezifische Aufgaben und halten unseren Körper am Laufen. In unseren Zellen liegen die DNA-Stränge, also auch unsere Gene, sehr dicht gepackt und durcheinander platziert vor - vergleichbar mit einem Wollknäuel. Um die Gene abzulesen, muss dieses „Knäuel“ an den entsprechenden Stellen entwirrt werden, um Zugriff auf die Genabschnitte zu erhalten.  

An dieser Stelle kommt die Epigenetik ins Spiel, welche wir aktiv durch unseren Sport beeinflussen können. Vereinfacht gesagt beschreibt die Epigenetik Mechanismen, die die Zugänglichkeit bestimmter Genbereiche regulieren. Es wird sozusagen ein Stück Faden von unserem DNA-Wollknäuel abgewickelt, wodurch dieser Genabschnitt einfacher und öfter abgelesen werden kann. Dies führt dazu, dass die von diesen Genen verschlüsselten Proteine vermehrt gebildet werden. Der ganze Prozess ist auch umgekehrt möglich: Epigenetische Veränderungen können dazu führen, dass manche Gene für unsere Ablese-Maschinerie schlechter erreichbar sind. Dahinter stecken verschiedene molekulare Mechanismen, durch die der Zugang zu den Genen reguliert wird. Dazu gehören beispielsweise DNA-Methylierungen, bei denen eine bestimmte chemische Gruppe (Methylgruppe) an die DNA angeheftet wird. Dies führt dazu, dass stark methylierte Bereiche schwerer zugänglich sind und die betroffenen Gene somit stillgelegt werden. Eine weitere Möglichkeit sind Histonmodifikationen. Histone sind bestimmte Proteine, auf denen unsere DNA, bildlich gesprochen, aufgewickelt wird. Auch hier bewirkt das Hinzufügen und Entfernen von bestimmten chemischen Gruppen, dass die betroffenen Bereiche mehr oder weniger für unsere Ablesemechanismen erreichbar sind. Darüber hinaus gibt es noch weitere Möglichkeiten, die zu späteren Zeitpunkten der Proteinproduktion eingreifen und regulatorisch wirken. Diese würden jedoch für diesen Text etwas zu tief in die Molekularbiologie führen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die Epigenetik die Aktivität der Gene beeinflusst wird, ohne sie direkt zu verändern.

Doch was bedeutet das nun für uns Schwimmer? Durch das regelmäßige Training können wir unsere Epigenetik beeinflussen. Dadurch werden potenziell leistungsfördernde Gene aktiver und tragen so im Idealfall zur Verbesserung unserer Leistung bei. Welche Gene genau ein- oder ausgeschaltet werden, hängt von der Art des Trainings ab. Während wir beim „Kilometerschrubben“ vor allem unsere Ausdauer trainieren, können wir unsere Kraftwerte zusätzlich z.B. durch Paddles oder das Stemmen von Gewichten verbessern. Es erscheint daher logisch, dass wir hierdurch verschiedene Mechanismen auf zellulärer und genetischer Ebene ansprechen.

Durch das gezielte Ausdauertraining kommt es zu epigenetischen Anpassungen bei Genen, welche für das Muskelwachstum und den Umgang mit physischem Stress zuständig sind. Dies sind Veränderungen, die wir auch als Schwimmer selbst wahrnehmen können. Zum einen sehen wir durch regelmäßiges Training Anpassungen in unserer Muskulatur. Zum anderen verbessert sich unsere Regenerationsfähigkeit, d.h., die Muskulatur ist nach einer anstrengenden Einheit schneller wieder einsatzbereit. Doch es gibt noch weitere Prozesse, die epigenetisch durch das Ausdauertraining beeinflusst werden und von denen wir im ersten Schritt nicht wirklich etwas mitbekommen. Betroffen sind Gene, die unseren Stoffwechsel und die Energiebereitstellung regulieren. Gut untersucht ist das Gen PPARGC1A, das für die Herstellung des Proteins PGC-1α zuständig ist. Dieses ist maßgeblich an der Regulierung der oxidativen Phosphorylierung beteiligt, einem Prozess, welcher in unseren Mitochondrien („Kraftwerke der Zelle“) stattfindet und Energie in Form von ATP produziert. Dieses Gen wird infolge von Trainingsstimuli hochreguliert, d.h. stärker abgelesen. Dies wiederum führt dazu, dass uns langfristig mehr Energie bereitgestellt werden kann. Zusätzlich lässt sich beobachten, dass bestimmte Gene, die für die Herstellung und Speicherung von Fettsäuren zuständig sind, ausgeschaltet werden. Während Ausdauertraining sehr viele Gene beeinflusst, die unseren Energiehaushalt und die Energiebereitstellung regulieren, führt Krafttraining zu Anpassungen in der Genaktivierung, die mit der Vergrößerung von Muskelzellen (Hypertrophie) einhergehen.

Jedoch gilt auch hier wie in vielen anderen Bereichen, dass die Effekte zwischen einzelnen Personen individuell sehr unterschiedlich sein können. In der Forschung wurde bei der Untersuchung der epigenetischen Effekte bislang kaum Rücksicht genommen, wie sich die molekularen Mechanismen zwischen den verschiedenen Geschlechtern unterscheiden. Zudem scheinen die durch das Training entstehenden epigenetischen Veränderungen bei älteren Personen (über 40 Jahre) stärker ausgeprägt zu sein als bei jüngeren Sportlern.

Kurz gefasst: Wir können unsere Gene nicht verändern, aber wir können steuern, wie sie arbeiten und damit unser Training noch effektiver machen.